ME-Saar-Präsident Oswald Bubel: „Wir wollen keine Show, wir wollen verhandeln“
Herr Bubel, die IG Metall hat zu Beginn der Tarifverhandlungen sieben Prozent mehr Lohn innerhalb von zwölf Monaten gefordert. Warum ist das aus Sicht der Arbeitgeber zu hoch?
Die Metall- und Elektroindustrie befindet sich aktuell nicht allein in einer Konjunkturkrise. Sie befindet sich in einer Strukturkrise. Für beides ist das Thema der Kostenbelastung eine Frage, die die Wettbewerbsfähigkeit der Betriebe entscheidend fordert. Deshalb passt in dieser Landschaft eine Forderung von plus sieben Prozent gar nicht.
Das Angebot der Arbeitgeber lautet: eine zweistufige Entgelterhöhung von insgesamt 3,6 Prozent bei einer Laufzeit von 27 Monaten. Die erste Erhöhung soll zum 1. Juli 2025 erfolgen. Warum nicht früher und warum eine so lange Laufzeit? Das bedeutet neun Nullmonate.
Laufzeit verschafft Planungshorizont. Unternehmen brauchen Planbarkeit, eine Bezahlbarkeit und eine Belastbarkeit. Das haben wir versucht, mit diesem Angebot darzustellen. Der bisher laufende Tarifvertrag sah zum 1. Mai 2024 eine Erhöhung um 3,3 Prozent vor. Außerdem wurde zum 1. Februar dieses Jahres der zweite Teil der Inflationsausgleichsprämie in Höhe von 1500 Euro gezahlt. Die Mitarbeiter haben also für dieses Jahr eine Anpassung gehabt, die Betriebe eine Kostenbelastung. Wir sehen sowohl in der Automobilindustrie als auch im Maschinenbau eine deutlich schwierige wirtschaftliche Lage. Die Produktion ist in den ersten sieben Monaten dieses Jahres um sieben Prozent niedriger als im vergangenen Jahr und um 15 Prozent niedriger als 2019 vor Corona. Die Tragbarkeit von Kosten für Unternehmen ist in der jetzigen Phase sehr begrenzt. Wir sind bereit, über eine Erhöhung der Ausbildungsvergütung zu sprechen, die in das Gesamtangebot eingebettet sein soll. Die IG Metall hat eine Erhöhung um 170 Euro im Monat für Auszubildende gefordert. Das sind rund 15 Prozent. So viel wird es nicht sein, was unser Angebot angeht. Eine uns sehr wichtige Forderung ist eine dauerhafte Differenzierung. Die soll die Unternehmen, die wirtschaftlich ganz schwache Ergebnisse erzielen, in die Lage versetzen, teilweise Leistungen nicht jetzt zu leisten, sondern später oder gar nicht. Im Sinne einer Planbarkeit für die Unternehmen sollte diese Differenzierung, so wie wir sie auch in den letzten Tarifabschlüssen vereinbart haben, so oder angepasst dauerhaft gelten. Also auch für die nächsten Verhandlungen.
Ist denn mit einem Plus von 3,6 Prozent bei den Betrieben bereits eine Schmerzgrenze erreicht?
Die Schmerzgrenze ist definitiv erreicht. In vielen Unternehmen sind die Zahlen nicht mehr schwarz. Das betrifft etwa ein Drittel der Unternehmen, auch im Saarland. Da weiter Kosten anzupassen, die über das, was bisher vereinbart ist, hinausgehen, fällt schwer. Einige Betriebe hätten sich ein deutlich geringeres Angebot gewünscht.
Die Arbeitgeber haben zu Beginn der Verhandlungen auf eine schnelle Einigung gehofft. Nun endet am Montag die Friedenspflicht. Laut IG Metall sind Warnstreiks wahrscheinlich. Sie hat sich enttäuscht über das Angebot gezeigt. Können sich die Saar-Arbeitgeber in der momentan wirtschaftlich schwierigen Situation eine Streikwelle überhaupt leisten?
Wir haben in der zweiten Verhandlungsrunde ein Angebot vorgelegt, mit dem Ziel und der Hoffnung, damit auch einen baldigen Abschluss der Gespräche zu erreichen. Wir wollen keine Show, wir wollen verhandeln. Wir haben etwas vorgelegt, und das hätten wir gerne. Wenn es nach uns ginge, wird bereits in einer dritten Runde ein Ergebnis erzielt. Wir spielen nicht auf Zeit. Wir brauchen keine Streiks. Es wird vielleicht nicht zu verhindern sein, aber wir suchen nicht den Streik, den Arbeitskampf. Wir suchen die Lösung. Streiks bedeuten erhebliche Kosten und Störungen des Betriebsablaufes, die die Lieferzeiten zu den Kunden nicht verbessern, sondern verschlechtern. Wenn die Gewerkschaft ein wirtschaftliches Gewissen hat, dann ruft sie nicht zum Streik auf. Einen Streik kannst du nach Gesetz dann machen, wenn Verhandlungen gescheitert sind. Unsere Verhandlungen sind nicht gescheitert. Wir sind mittendrin. Aber das Instrumentarium der Gewerkschaft sieht das nun mal vor. Manchmal kommt es mir vor, als ob man da als Arbeitgeber in die Ecke gedrängt wird. Es stärkt den Standort nicht. Aber was wir möchten, ist Wettbewerbsfähigkeit erhalten und den Standort stärken.
Abgesehen von einem Gehaltsplus, das Mittelpunkt einer jeden Tarifverhandlung ist: Was fordern Mitarbeiter heutzutage noch, und wie können die Betriebe darauf eingehen?
Was Mitarbeiter heute schätzen, sind korrekte Arbeitsbedingungen und sichere Arbeitsplätze, die gut entlohnt werden, die stabil sind, die eine Zukunft haben. Und daran gilt es zu arbeiten. Das Ganze hängt am Schluss trotzdem mit dem Thema Wettbewerbsfähigkeit und dem Sichern des Standortes zusammen. Das wollen wir und nichts anderes.
Dieses Interview ist in der Saarbrücker Zeitung erschienen.