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PfalzMetall-Präsident Dr. Christian Kauth: „Lage teils noch schlechter als die Stimmung“

PfalzMetall

Interview mit Dr. Christian Kauth, Präsident der PfalzMetall.

Herr Kauth, wie ist Ihre momentane Stimmung als Präsident von Pfalzmetall?
Die Stimmung ist nicht so gut. Wenn die deutsche Industrie ein Haus wäre, stünde das gerade in einem Überschwemmungsgebiet. Das Wasser steht dabei am Übergang zum Erdgeschoss. Und während die Fundamente bröckeln, beschäftigen sich manche damit, wie wir das Dach ausbauen. Das ist die Lage. Natürlich gibt es ein paar Ausnahmen, Unternehmen, denen es besser geht und die wachsen. Das sind zum Beispiel Unternehmen wie das unsere, die in extremen Nischen unterwegs sind, wo das Unterscheidungsmerkmal weniger der Preis ist. Aber bei den meisten anderen stehen die Zeichen eher auf Stellenabbau.

Was setzt den Unternehmen am meisten zu?
Da gibt es nicht die eine Sache, sondern mehrere Dinge, die gleichzeitig belasten. Im Prinzip sind es die Klassiker: Energiepreise, sonstige Kostenanstiege, die Inflation und natürlich die Bürokratie, die immer weiter ausufert. Das alles sind letztlich Kostenbestandteile, die die Wettbewerbsfähigkeit insgesamt reduzieren. Und jene Unternehmen, die noch Mitarbeiter suchen, bekommen immer mehr den Fachkräftemangel zu spüren. Dazu kommen die Stimmungslage und das Gefühl, dass es in fast allen Bereichen nicht mehr funktioniert. Da herrscht teilweise eine depressive Stimmung.

Wir Deutschen sind bekannt dafür, dass die Stimmung oft schlechter ist als die Lage. Derzeit hält sich das also eher die Waage?
Ja, und in manchen Bereichen ist die Lage wohl noch schlechter als die Stimmung. An einem Punkt müssen wir uns auch an die eigene Nase fassen: Auch in der Vergangenheit wurde seitens der Industrie häufig gejammert, selbst wenn es den meisten tatsächlich sehr gut ging. Das führt dazu, dass die derzeitigen Warnungen teilweise nicht ernstgenommen werden.

Beim größten deutschen Autohersteller VW brennt die Hütte. In Rheinland-Pfalz arbeiten über 200.000 Menschen im Fahrzeugbau. Wie ist die Situation in dieser Branche?
In Rheinland-Pfalz und insbesondere in der Pfalz liegt der Fokus eher auf Nutzfahrzeugen. Da ist die Lage nicht anders, da sind die Einbrüche zum Teil noch stärker. Das sieht man bei Daimler Truck in Wörth, wo es jetzt Kurzarbeit gibt. Das Thema Kurzarbeit ist derzeit in vielen Unternehmen sehr präsent, und perspektivisch geht es auch um den Abbau von Stellen.

Auf den Arbeitsmarkt schlägt das alles bisher nicht voll durch. Die Anzahl der Arbeitslosen steigt zwar, aber wir sind noch weit von Verhältnissen wie Anfang des Jahrtausends entfernt. Liegt es auch daran, dass die Krise in der Öffentlichkeit bisher nicht so ins Bewusstsein gerückt ist?
Definitiv. Auf dem Arbeitsmarkt erleben wie die Kombination von zwei Effekten. Einerseits der demografische Wandel, der die Zahlen ein bisschen schönt. Hinzu kommt, dass viele Unternehmen abwarten, ehe sie tatsächlich Stellen abbauen, die greifen erst einmal zur Kurzarbeit. Aber die Ankündigungen zum Stellenabbau deuten darauf hin, dass sich das bald ändern wird. Dennoch werden wir bei der Arbeitslosigkeit nicht mehr die Größenordnung der Vergangenheit erleben. Das wird vom demografischen Wandel maskiert.

In der Westpfalz sorgt die Lage beim Zweibrücker Kranhersteller Tadano derzeit für Aufsehen. Dort soll ein Werk geschlossen werden, 400 Jobs sollen wegfallen, die Beschäftigten sind in einen unbefristeten Streik getreten. Ist Tadano ein weiteres Opfer der derzeitigen Krise?
Das ist von außen immer schwer zu beurteilen. Die erwähnten Kostensteigerungen helfen jedenfalls keinem Produktionsstandort. Bei der Frage, inwieweit das speziell für Tadano essenziell ist, rate ich allen zur Vorsicht, die nicht direkt damit zu tun haben. Das Problem lösen am besten die Partner vor Ort. Dabei sollten beide aufpassen, dass man sich nicht gegenseitig überfordert.

Generell ist es so, dass gerade die Industrie in der Pfalz stark exportlastig ist. Die Unternehmen stehen in einem weltweiten Kostenwettbewerb. Und da gehört zur Wahrheit dazu, dass die Produktivität in Deutschland bei weitem nicht mitgehalten hat mit dem Anstieg der Lohnkosten. Das spüren vor allem Unternehmen, in denen die Lohnkosten einen hohen Anteil haben.

Tadano ist Mitglied Ihres Verbands. Gab es Angebote von Pfalzmetall, bei Tadano als Vermittler aufzutreten?
Dieses Angebot steht immer; diese Dienstleistung erbringen wir für jedes unserer Mitgliedsunternehmen. Inwieweit ein Unternehmen das in Anspruch nimmt, ist immer Entscheidung des Unternehmens.

Am Freitag beginnt die Tarifrunde für die Metall- und Elektroindustrie in der Pfalz. Die 7-Prozent-Forderung der IG Metall liegt auf dem Tisch. Was werden Sie dem entgegenhalten?
Es wird niemanden überraschen, wenn ich sage, dass diese Forderung überzogen ist. Weil wir alle Realisten sind, ist klar: Es wird weder eine Nullrunde geben, noch die 7 Prozent bei einer Laufzeit von zwölf Monaten. Am Ende brauchen wir einen für alle tragfähigen Kompromiss. Ich glaube, auch die IG Metall ist sich über die Situation im Klaren. Das zeigt sich schon daran, wie die Forderung begründet wird, nämlich sehr unkonkret und mit Verweis auf die Stärkung der Binnennachfrage. Immer, wenn man keine andere Begründung hat, wird das herangezogen. Wobei dieses Argument gerade in der Pfalz angesichts der starken Exportlastigkeit am wenigsten greifen würde.

Wir sollten auch nicht vergessen, dass auch im Ausland wahrgenommen wird, was hier passiert. Der Investitionsstandort Deutschland hat massiv an Attraktivität verloren. Unser Image im Ausland ändert sich gerade deutlich: Wir waren noch nie der günstigste Standort, aber wir haben viele andere Stärken gehabt. Nun nimmt man uns immer mehr wahr als teurer Standort, wo alles langsam vonstatten geht und wo die Leute immer weniger Lust haben zu arbeiten. Ich sage nicht, dass das so ist, aber so werden wir wahrgenommen. Vor diesem Hintergrund ist eine Forderung, wie sie die IG Metall aufgestellt hat, nicht nützlich.

Sie nehmen die Tarifrunde zum Anlass, um eine Stärkung des Standorts zu fordern. Was können und sollen die Tarifparteien dazu beitragen?
Wir diskutieren zwei Dinge: zum einen die Entgelte. Da muss ein moderater Abschluss her, damit wir zumindest nicht weiter an Wettbewerbsfähigkeit einbüßen. Und weil wir auch die Situation der Mitarbeiter sehen, die ebenfalls durch die Preissteigerungen belastet werden, werden Sie von uns nicht die Forderung nach einer Nullrunde hören. Das wäre nicht anständig.

Das andere sind die Arbeitszeitvolumen. Unser Ziel ist, dass ein Betrieb die Fachkräfte, die er hat, möglichst optimal einsetzen kann. An diesem Punkt geht es vor allem um Flexibilität. Da ist auf betrieblicher Ebene schon viel möglich, da brauchen wir nicht so sehr pauschale Regelungen. Es ist ein gutes Zeichen, dass sich beide Seiten dazu verpflichtet haben, über solche Themen abseits eines Konfliktes zu sprechen. Den Unternehmen ist klar, dass Mitarbeiter Flexibilitätsanforderungen haben. Und der Gegenseite muss klar sein, dass die Betriebe Planbarkeit bei den Arbeitszeitvolumen brauchen.

Der neue Flächentarifvertrag in der Chemie sieht erstmals einen Bonus für Gewerkschaftsmitglieder in Form eines zusätzlichen freien Tages vor. Wäre so etwas auch für die Metall-Arbeitgeber akzeptabel?
Ein ganz klares Nein. Im Sinne der Gleichbehandlung hätte das die Folge, dass wir so einen Bonus allen gewähren würden – womit wir das Arbeitszeitvolumen weiter absenken würden.

Dieses Interview ist in der Zeitung DIE RHEINPFALZ erschienen.