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Vorsitzender der NiedersachsenMetall-Bezirksgruppe Dr. David Frink: „Die Belastung zehrt am Eigenkapital“

NiedersachsenMetall, Bezirksgruppe Osnabrück - Emsland - Grafschaft Bentheim

Interview mit David Frink, Vorsitzender der NiedersachsenMetall-Bezirksgruppe.

Bis zur Tarifverhandlung in der Metall- und Elektroindustrie in der Region Osnabrück-Emsland-Grafschaft Bentheim dauert es noch ein paar Monate. Die Forderungen der IG Metall sind jedoch bereits beschlossen – es geht um mehr Geld für rund 17000 Metaller in der Region und viele weitere Mitarbeiter, die in Betrieben arbeiten, die sich am Tarifentgelt orientieren. Für die Arbeitgeberseite wird David Frink am Verhandlungstisch sitzen. Er steht an der Spitze der Krone-Holding aus dem Emsland und ist Vorsitzender der Niedersachsenmetall- Bezirksgruppe Osnabrück-Emsland-Grafschaft Bentheim. Im Interview spricht er unter anderem über die aktuelle Lage der Betriebe, die Forderung von Südwestmetall nach einer Nullrunde und warum für ihn an einer Differenzierung im Tarifabschluss kein Weg vorbeiführt.

Herr Frink, die Forderungen der IG Metall liegen auf dem Tisch. Haben Sie sie so erwartet?
Die Forderungen liegen etwa auf gleicher Höhe wie in den Tarifrunden der vergangenen Jahre vor Corona. Allerdings muss man sagen, dass es der Industrie damals wesentlich besser. Wir haben auch aktuell nicht die Produktivitätssteigerung in den Betrieben, die die Gewerkschaft annimmt, sondern in der Metall- und Elektroindustrie mit riesigen Themen zu kämpfen.

Also sind sieben Prozent überzogen?
Das kommt immer auf den Blickwinkel an. Ich kann verstehen, dass sich Mitarbeiter in den unteren Entgeltgruppen bei der Inflation der vergangenen Jahre schwertun, und es am Ende des Monats gerade in den unteren Entgeltgruppen enger wird. Deshalb haben wir aber auch die Inflationsausgleichsprämie gezahlt. Da muss man einen Mittelweg finden. Zumal Arbeitgeber und Gewerkschaft in der Analyse der Rahmenbedingungen übereinstimmen.

Inwiefern?
Beispielsweise, wenn es um die Bestandsaufnahme der Wirtschaftspolitik oder um die Attraktivität des Standorts Deutschland geht. Wir haben keine Wirtschaftspolitik in Deutschland und die Konjunktur bringt auch kein Sommermärchen 2.0 in Schwung. In der Konsequenz daraus gehen unsere Meinungen naturgemäß auseinander. Eine Umverteilung der Gewinne, wie die IG Metall fordert, setzt voraus, dass es Gewinne zu verteilen gibt.

Der Schwesterverband Südwestmetall hat vor Veröffentlichung der Gewerkschaftsforderungen bereits seinerseits eine Nullrunde gefordert. Gehen Sie da mit?
Nein, da ich stimme den Kollegen nicht zu. Eine faire Tarifpolitik ist ein Geben und Nehmen – aber es muss angemessen sein. Die Kollegen im Südwesten sind extrem Automobil-geprägt, dass sie so reagieren, ist für mich menschlich. Aus meiner Sicht muss es um die Möglichkeit zur Differenzierung gehen, damit wir alle unter einen Hut bekommen.

Hand aufs Herz, wie schlecht läuft es denn in der Region wirklich?
Ich würde sagen, dass 50 bis 60 Prozent der Betriebe der Metall- und Elektroindustrie in Osnabrück, dem Emsland und der Grafschaft Bentheim eher schlecht dastehen. Materialkosten sind massiv gestiegen, Energiekosten durch die Decke gegangen. Nicht alle können das weitergeben, die Belastung zehrt also am Eigenkapital. Wenn man dann gleichzeitig mit dem Geschäftsmodell nah an der Konjunktur hängt, hat man wenig Wasser unterm Kiel und es trifft auch Traditionsunternehmen.

So geht es ja aber nicht allen.
Natürlich gibt es immer Trend-unabhängige Unternehmen, solche mit hohen Exportquoten oder diejenigen, die hoch spezialisiert sind und denen es deutlich besser geht. Aber die Schere zwischen den zwei Extremen geht immer weiter auseinander. Das typische Unternehmen der Metall- und Elektroindustrie gibt es in der Region nicht mehr.

Was heißt das für die Tarifpolitik?
Dass wir zwingend Differenzierungsmöglichkeiten haben müssen. Das haben auch viele Beschäftigte erkannt. Die Frage ist, wie man zusammenkommt. Aber ein Tarifabschluss für alle, das wird auf der einen Seite ganz viele überfordern, und auf der anderen für wenige kein Problem darstellen. Das wird eine knackige Tarifrunde.

Sie sprachen die Mitarbeiter in unteren Entgeltgruppen an. Wer ist dort eingruppiert?
Das sind tatsächlich wenige. Entgeltgruppe 1 sind beispielsweise ungelernte Logistiker. Wer eine tarifliche Ausbildung absolviert hat, startet in der Entgeltgruppe 3 oder 4. Wichtig finde ich auch: Die Monatsentgelte stehen nicht für sich alleine, sondern es kommen tarifliche Zusatzleistungen und eine Leistungsprämie hinzu. Eigentlich müsste man also aufs Jahresgehalt schauen.

Die Keule, die Arbeitgeberverbände gerne schwingen, ist die Warnung vor Tarifflucht bei zu hohen Abschlüssen. Wie tarifgebunden ist die Region heute?
Die Region Osnabrück, Emsland, Grafschaft Bentheim ist sehr tariftreu. Dass sieht man schon daran, dass 17000 Mitarbeiter in Betrieben mit Tarifvertrag arbeiten. Und man darf nicht vergessen, dass es viele Firmen gibt, die sich am Tarifentgelt orientieren. Der Tarifvertrag der Metall- und Elektroindustrie hat Leuchtturmfunktion. Grundsätzlich sehe ich die Tarifpartnerschaft, die wir haben, als eine riesige Chance, den Standort Deutschland zu stärken.

Hat Sie überrascht, dass das Thema Arbeitszeit augenscheinlich keine große Rolle spielen wird?
Nein, eigentlich nicht. Zumal ich glaube, dass IG Metall und uns das Thema Fachkräftemangel eint. Wenn man es realistisch betrachtet: So lange wir keine qualifizierte Zuwanderung in Arbeit haben, fehlen uns Arbeitskräfte. Wenn Unternehmen in der Region keine qualifizierten Mitarbeiter mehr finden, orientieren Sie sich ins Ausland. Trotz aller Diskussion über Work-Life- Balance, so realistisch ist man bei der Gewerkschaft auch.

Es gibt für manche Mitarbeiter bereits die Möglichkeit, Geld in Freizeit umzuwandeln. Wäre da eine Ausweitung denkbar?
Wir gehen davon aus, dass die Frage, wer Anspruch darauf hat, ein Thema sein könnte, ja. Die IG Metall spricht sehr weit gefasst von „Ehrenamts- und Demokratiezeit“. Was genau damit gemeint ist, wissen wir noch nicht. Für uns stellt sich die Frage: Ausweitung zu was? Wir haben in der Region gerade im ländlichen Gebiet eine hohe Durchdringung von Mitarbeitern, sie sich beispielsweise beim THW oder der Freiwilligen Feuerwehr engagieren. Das unterstützen und fördern Unternehmen heute schon. Ohne es an die große Glocke zu hängen.

Die Arbeitgeber gehen traditionell deutlich zugeknöpfter in die Tarifverhandlungen. Was können Sie sich vorstellen?
Die Differenzierbarkeit muss oberstes Gebot sein. Meinetwegen nach unten und nach oben. Aber einen Tabellenabschluss für alle, das kann nicht funktionieren, weil die Situation der Unternehmen einfach zu unterschiedlich ist.

Was bedeutet Differenzierung?
Beispielsweise könnte das heißen, dass Arbeitgeber Gehaltserhöhungen schieben oder aussetzen können. Oder dass bestimmte Leistungen wegfallen oder verschoben werden können, wie beispielsweise tarifliche Zusatzzahlungen.

Also ein Zwei-Klassen-Tarifvertrag?
Es hilft ja nichts. In der vorletzten Tarifrunde hat es – gekoppelt an harte Faktoren – eine solche Differenzierungsmöglichkeit schon einmal gegeben, wenn es Unternehmen nachweislich sehr schlecht ging. Gebrauch gemacht haben davon übrigens nur wenige – obwohl mehr gekonnt hätten.

Gibt es denn Licht am Ende des Tunnels?
Das Vertrauen in den Standort Deutschland ist nachhaltig gestört. Und das branchenübergreifend. Wir sehen deutlich, dass Investitionsentscheidungen, gerade wenn es um Wachstum geht, im Ausland statt im Inland getroffen werden. Das hat aber nicht mit dem Tarif allein zu tun, sondern mit den Standortbedingungen insgesamt. Als energieintensives Unternehmen wären wir im Emsland nicht konkurrenzfähig.

Rechnen Sie mit Streiks?
Das wird man sehen. Ein bisschen Säbelrasseln gehört zum Geschäft. Bis zu den Verhandlungen ist noch Zeit. Ich glaube schon, dass es einen Einigungswillen in der Region gibt – auch im Sinne des Standorts Osnabrück- Emsland-Grafschaft Bentheim und Deutschland. Wir haben andere Blickwinkeln, aber wir gehen einen gemeinsamen Weg.

Dieses Interview ist in der Neuen Osnabrücker Zeitung erschienen.