Vorstandsvorsitzender und Verhandlungsführer des Verbands der Metall- und Elektroindustrie in Berlin und Brandenburg Stefan Moschko: „Wir haben einen Kompromiss gefunden, der für beide Seiten akzeptabel ist“
Herr Moschko, am 20. November wird mit der IG Metall Berlin-Brandenburg über den Pilotabschluss verhandelt. Abgesehen von regionalen Details, rechnen Sie mit einer Übernahme für die Region?
Ich gehe davon aus. Der Dachverband Gesamtmetall und auch die IG Metall-Spitze haben den Tarifgebieten die Übernahme empfohlen.
Die IG Metall hatte 7 Prozent Tariferhöhung gefordert. Es sind 5,1 Prozent geworden. Verbuchen Sie das als Erfolg?
Wir haben einen Kompromiss gefunden, der für beide Seiten akzeptabel ist. Er geht zwar an die Grenze dessen, was unsere Betriebe in der schwierigen Lage verkraften können, gibt den Unternehmern aber auch mehr Planungssicherheit. Zudem haben die Arbeitnehmer mehr im Geldbeutel. Grund zur Euphorie besteht jedoch nicht, da sich die Metall- und Elektroindustrie in einer sehr ernsten Lage befindet. Wir erleben Rückgänge bei den Aufträgen, der Produktion, den Umsätzen und im Export. Umso mehr begrüße ich die Einigung bei diesen schwierigen Tarifverhandlungen. Das war nicht selbstverständlich.
Können die Unternehmen nach Jahren der Krise höhere Arbeitskosten noch stemmen?
Für einige Betriebe wird es schwierig werden. Deshalb haben wir Differenzierungsmöglichkeiten vereinbart. Wenn sich Unternehmen in einer kritischen Lage befinden, verfügen sie nun über Instrumente, Anpassungen vorzunehmen – das ist ein wichtiges Detail dieses Tarifabschlusses. In der zweiten Lohnerhöhung ab 1. April 2026 um 3,1 Prozent steckt natürlich die Hoffnung, dass die wirtschaftliche Lage wieder besser wird.
Was wiegt aus Ihrer Sicht mittlerweile schwerer: die Arbeitskosten oder der Fachkräftemangel?
Beides ist schlimm auf die jeweilige Art. Die steigenden Arbeitskosten und auch die schwache Produktivität sind kein gutes Zeugnis für den Standort. Der Fachkräftemangel belastet uns insofern, als wir uns am Arbeitsmarkt in einem riesigen Transformationsprozess befinden. Doch die Transformation muss am Ende des Tages aus den Gewinnen bezahlt werden und aktuell beobachten wir ein zurückgehendes Geschäftsvolumen.
Was die Politik zudem begreifen muss: Wir erleben im Moment nicht unbedingt einen klassischen Abschwung, auf den irgendwann wieder ein Aufschwung folgt – wir stecken auch in einer Systemkrise. Das ist neu. Früher waren steigende Arbeitslosenzahlen ein Indikator, dass es der Wirtschaft schlecht geht. Heute ist es anders: Die Geschäftszahlen sind schlecht, aber der Arbeitsmarkt relativ stabil. Sollten die Arbeitslosenzahlen steigen, ist der Berg schon längst ins Rutschen gekommen.
Die USA sind auch für Brandenburg ein wichtiger Exportmarkt. Wie blicken Sie auf eine zweite Trump-Periode?
Das Ergebnis der US-Wahlen ist für uns in Deutschland, aber auch in Europa ein Weckruf. Wir müssen jetzt europäisch denken und sowohl in unsere Wettbewerbsals auch in unsere Verteidigungsfähigkeit investieren.
Trump droht mit Zöllen, die auch Brandenburg empfindlich treffen könnten.
Ein Handelskrieg ist immer schlecht. Dabei gibt es nur Verlierer. Gleichwohl hat die EU-Kommission Optionen, auf solche Zölle zu reagieren. Wir brauchen jedoch offene Märkte, nur so kann Deutschland profitieren. Gerade Brandenburg hat eine super Entwicklung bei der Ansiedlung von Industrie und der Schaffung von Arbeitsplätzen in den vergangenen Jahren hingelegt. Aber wenn man beispielsweise die positive Entwicklung in der Lausitz mit den Wahlergebnissen vergleicht, drängt sich die Frage auf, warum das nicht von der Bevölkerung mehr honoriert wird.
Apropos Wahlen: Bald stehen voraussichtlich Neuwahlen an. Was muss eine neue Bundesregierung unbedingt anders machen?
Die Wirtschaftspolitik braucht Signale, dass sie wieder ganz vorne steht. Sie muss zudem neu ausgerichtet werden. Deutschland, als wichtiges Wirtschaftsland in der Welt, muss wieder zu Kräften kommen. Billigere Energie, weniger Steuern und Abgaben, weniger Bürokratie und mehr Flexibilität müssen oben stehen. Wichtig ist, dass sich die neue Regierung nach den Bundestagswahlen zügig bildet, um möglichst schnell handlungsfähig zu sein.
Dieses Interview ist in der Märkischen Oderzeitung (MOZ.de) erschienen.